KLAVIERKONZERT Mélodie Zhao
im Rahmen der Klaviertage Erl 2022
Festspielhaus der Tiroler Festspiele Erl
KLAVIERKONZERT Mélodie Zhao
https://www.rolandboeer.com/wp-content/uploads/2021/10/fullsizeoutput_cbf.jpeg 1800 720 Roland Böer Roland Böer https://www.rolandboeer.com/wp-content/uploads/2021/10/fullsizeoutput_cbf.jpegLiszt Malédiction für Klavier und Streichorchester
Liszt Sonate h-Moll für Klavier solo
Haydn Sinfonie Nr. 95 c-Moll
Schostakowitsch Klavierkonzert Nr. 1 c-Moll mit obligater Trompete
Orchester der Tiroler Festspiele Erl
Mélodie Zhao Klavier
Tränen, Ängste, Träume, Spott
Malédiction (Verfluchung) lautet die erste von vier Eintragungen, die der junge Franz Liszt 1833 in der Partitur seiner später so betitelten einsätzigen Komposition für Klavier und Streichorchester festhält. Pleurs-angoisses-rêves (Tränen-Ängste-Träume), Orgeuil (Hochmut) und Raillerie (Spott) definieren weitere programmatische Themenfelder. Deren dramatische Entwicklung in rhapsodisch freier Form und der virtuos ausgearbeitete Solopart vereinen erstmals den Gestus eines Klavierkonzerts mit den Charakteristika der Symphonische Dichtung.
Gut 20 Jahre später schickt Franz Liszt einige neue Kompositionen an Clara Schumann. Eine Sonate ist darunter, Robert Schumann im Gegenzug für dessen C-Dur-Fantasie gewidmet. Brahms wird hinzugebeten, um sie vorzuspielen. Schaurig, und nur noch blinder Lärm sei das, schreibt Clara 1854 in ihr Tagebuch. Heute gilt die Sonate h-moll als eines der bedeutendsten, technisch anspruchsvollsten Klavierwerke der Romantik und als ein Höhepunkt im Œuvre des Komponisten.
Als sehr delicat hingegen bezeichnet Franz Joseph Haydn selbst seine Sinfonie Nr. 95 c-Moll. Geschrieben Anfang 1791, tritt sie aus den Schatten der Vorahnung des nahenden Todes seines Freundes hinaus in das strahlende Licht glühender Bewunderung für den geliebten, ihm einst nacheifernden Mozart. Auffallend ist in der Variationenfolge der Einsatz eines Solo-Cellos. Sollte Adam Liszt, Vater von Franz, der ja noch lange unter der Leitung von Haydn im Orchester von Esterhaza spielte, ihn dazu inspiriert haben?
Dmitri Schostakowitsch nennt sein Konzert für Klavier und Orchester c-Moll eine spöttische Herausforderung an den konservativ-seriösen Charakter des klassischen Konzert-Gestus. Genau 100 Jahre nach Malédiction geschrieben, ist es auch für ihn das erste konzertante Werk, wobei erwähnenswert bleibt, dass es zunächst als Trompetenkonzert, dann als Doppelkonzert konzipiert, und schließlich als Klavierkonzert mit konzertierender Trompete vollendet wurde. Wo bei Liszt ernste und tiefe Gefühle im Vordergrund stehen, dreht sich hier alles um Parodie und Persiflage als Stilmittel der Satire. So begegnen wir verfremdeten Zitaten aus Beethovens Appassionata, Haydns Klaviersonate D-Dur und Beethovens Rondo Die Wut über den verlorenen Groschen. Das Zitat des österreichischen Volksliedes O Du lieber Augustin aber ist von besonderer Aktualität. Augustin wird, stark alkoholisiert und für tot geglaubt, in ein Massengrab von an der schwarzen Pest Gestorbenen geworfen, erwacht putzmunter, ohne sich an den hochinfektiösen Leichen angesteckt zu haben, und beginnt, als neuzeitlicher Orpheus auf seinem Dudelsack zu spielen. Wie Haydns Sinfonie endet auch diese musikalische Reise in lapidarem C-Dur.
Roland Böer